Poesie auf der Wäscheleine

Für meine Installation Poesie auf der Wäscheleine, geschrieben mit alten Kassenrollenpapier und Tacker, habe ich ein Gedicht einer afganischen Frau gewählt. Gefunden habe ich es auf www.freewomenwriters.org - unter diesem Titel haben sich schreibende Frauen in und aus Afganistan zusammengefunden, um durch ihr Schreiben auf die Rechte der Frauen in Afganistan und anderswo aufmerksam zu machen.

Der Tag wird kommen
Hosnia Mohseni

Schwester,
der Tag wird kommen, da werden wir fliegen – du und ich,
über die stolzen Berge unseres Landes.

Ein Tag wird kommen, da werden die Türen nicht mehr verschlossen sein.
Und sich verlieben – das ist dann kein Verbrechen mehr.

Du und ich, wir werden unsere Haare fliegen lassen,
rote Kleider werden wir tragen
und die Vögel unserer weiten Wüsten
werden berauscht sein
von unserem Lachen.

Tanzen werden wir zwischen den roten Tulpen von Mazar
in Erinnerung an Rabia*.

Der Tag ist nicht mehr weit.
Vielleicht ist er nur eben um die Ecke.
Vielleicht wohnt er in unserer Poesie.

Deutsche Nachdichtung: Susanne Brandt
*Rabia: persische Mystikerin und Dichterin von Liebeslyrik des 10. Jahrhunderts.